Geschichte
Der Neubau einer Schule wird notwendig
Nachdem in Nossen 250 Jahre lang, seit der Reformationszeit, der Unterricht in der Wohnstube des Küsters, im Pfarrhaus oder reihum in Bürgerstuben gehalten wurde, stieg die Einwohnerzahl im “Zeitalter der sächsischen Industrialisierung”, im 19. Jahrhundert also, ständig an.
Mit dem Wachstum der Stadt, entsprechend der Städteordnung von 1835, der wachsenden Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt, zuerst als Kreuzungspunkt von 6 Fernpostlinien, später der Anbindung an die Eisenbahn, stieg die Zahl der Kinder und wohl auch das Bestreben, seinem Kinde zur Vorbereitung auf das Leben mehr geben zu lassen, als dies 1 Lehrer in einer Stube geben konnte.
So wurde 1834 die Knabenschule an der Dresdner Straße errichtet, 1849 ein Bauerngut zur Schule umgebaut und 1881 ein 8. Klassenzimmer in einem Bürgerhaus gemietet. All dies genügte dem ständigen Anwachsen nicht, so dass man in den 80er Jahren den Plan fasste, eine neue Schule zu bauen.
Die Pläne zum Bau einer neuen Schule
Der damalige Direktor Paul Schneider machte sich zum Sprecher der Bürger, die eine fast 100jährige Schulraumnot gründlich beseitigen wollten. Nachdem der Ankauf der Oberförsterei an der Waldheimer Straße (Grundstück Mokosch) und der Ausbau dieses Gebäudes abgelehnt wurde entschloss man sich, geeignetes Baugelände außerhalb der Stadt zu kaufen, Schule und Turnhalle zu bauen und auch den Anschluss an das Straßennetz zu schaffen.
Die Stadtverordnetenversammlung, der Stadtrat und der Bürgermeister hatten sehr sorgfältig zu erwägen. War doch nach Schätzungen zum Bau ungefähr eine Viertelmillion Mark nötig. Eine Summe, die von der kleinen Stadt nicht so leicht aufzubringen war. Eine Anleihe, die in den 50er Jahren erst getilgt worden wäre, schreckte manche der Stadtväter ab.
Zur Wahl standen die Eselswiese auf dem Leiseberg, die sich vom “Deutschen Haus” bis zur Bahnhofsstraße erstreckte, und die Pflaumenwiese zwischen Markt und der jetzigen Friedrich-List-Straße. Eine Entscheidung zog sich 3 Jahre hin. Erst nach heftigem öffentlichem Streit fiel die Entscheidung zugunsten des heutigen Standortes.
Bau und Einweihung
Gebaut wurde unsere Schule nach Entwürfen zweier Leipziger Architekten von Firmen aus Leipzig, Dresden, Meißen und Obergruna, vor allem aber aus Nossen.
Im September 1890 fand die Grundsteinlegung statt, bereits im November 1891 konnte die Turnhalle eingeweiht werden. Nachdem bereits im Juni 1891 das Richtfest für die Schule gefeiert wurde, konnte sie am 14. JUNI 1892 geöffnet werden.
Trotz dieser kurzen Bauzeit freuen wir uns noch heute an der soliden Arbeit. So haben beispielsweise die Türen und Holztreppen 100 Jahre lang den Händen und Füßen der Schüler widerstanden, entsprechend die Größe der Klassenräume und Korridore. Die Anzahl und Breite der Treppen entsprechen noch heute hygienischen und feuerschutztechnischen Anforderungen.
Die Freude der Nossener und ihr Stolz waren groß. Bürgermeister und Direktor haben in ihren Ansprachen zur Einweihung darauf hingewiesen, und der Nossener Anzeiger erhob die Nossener Schule zu “einer der schönsten Volksbildungsstätten Sachsens”.
Die Einweihung begann mit einem feierlichen Umzug von mehr als 700 Schulkindern “mit Musikbegleitung und Glockengeläut”. Nach Weiherede, Gesang und gemeinsamem Gebet fanden eine Festtafel im Saal des “Deutschen Hauses” und ein Kinderfest beim Schützenhaus statt.
Erweiterungsbauten im 20. Jahrhundert
Die Hoffnung, mit der neuen Schule die Schulraumnot in Nossen für alle Zeit beseitigt zu haben, erfüllte sich nicht. Am Schulgebäude wurde bald angebaut. Zunächst an der Turnhalle 1902 das Spritzenhaus und auf dem Schulhof der Steigerturm, die seitdem zum Gebäudeensemble gehören. 1912 schloss man die Lücke zwischen Turnhalle und dem kurzen Ostflügel. Damit gewann man 6 neue Klassenzimmer.
Aber bereits 20 Jahre später war die Schule wieder hoffnungslos mit Kindern überfüllt. Man half sich mit Nachmittagsunterricht, steckte 40 Kinder in eine Klasse und erteilte auch Unterrichtsstunden außerhalb des Schulgebäudes.
Im Jahre 1967/68 konnte eine weitere bauliche Ergänzung stattfinden. Im Schulhof wurde ein Gebäude mit 6 Klassenzimmern und einer modernen Toilettenanlage errichtet, die das fast 80jährige Klosett ablöste.
Oftmals musste auch die Heizung erneuert werden. Sie spiegelt die Entwicklung der Heiztechnik von der Warmwasser- zur Dampfheizung von der Braunkohlenbrikettfeuerung zur modernen Ölheizung (seit 1991) wider und hat wohl in den 100 Jahren das meiste Geld für Reparaturen und Neubau “verschluckt”.
Nicht immer war die Schule nur Schule
Die 100 Jahre Schulgeschichte sind nicht nur Jahre der Aufwärtsentwicklung, und die Schule ist nicht nur ein Hort des Lernens und der Vorbereitung auf das Leben gewesen.
In den Jahren der beiden Weltkriege und den folgenden Notzeiten konnte man nicht nur an die Kinder denken. So ist die Turnhalle vom Oktober 1914 bis Dezember 1918 als Lazarett verwendet wurden. Ab Februar 1945 waren die meisten Klassenzimmer von der deutschen Wehrmacht beschlagnahmt, ab März musste der Unterricht ganz ausfallen. Nach dem Einmarsch der Roten Armee war die Schule Flüchtlingslager und Lazarett bis ins Jahr 1946 hinein.
Nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches vergingen 5 Monate, bis die Schule wieder geöffnet werden konnte. Erst nach langen Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten konnte der Unterricht in den schwer verwüsteten Klassenzimmern beginnen.
Die erste Bürgerschule im Kampf um eine freie Schule
Es gehört mit zu den schönsten Traditionen, dass in den Zeiten der Weimarer Republik die Lehrer unserer Schule in Sachsen an der Spitze des Kampfes um eine grundsätzliche Schulreform standen.
Sie gehörten zum fortschrittlich gesinnten Teil der Lehrer, die sich im Sächsischen Lehrerverein organisierten. Sie verfochten den Gedanken der Einheitsschule, wandten sich gegen den obligatorischen Religionsunterricht und forderten den Wegfall der Standesschule. Seit 1924 gibt es in Nossen keine I. und II. Bürgerschule mehr, nur noch die allgemeine Volksschule. Besonders setzten sie sich für einen gemeinsamen Unterricht aller Schüler bis zur 6. Klasse und eine erst danach erfolgende Trennung in Volksschule und Gymnasium ein. Von ihnen ging der Gedanke einer differenzierten Mittelschule mit sprachlichen, naturwissenschaftlich-technischen und praktischen Lehrgängen aus. Erwähnt sollte in diesem Zusammenhang besonders der damalige Direktor Alfred Berger werden.
In diesen Jahren wurden auch die Knaben- und Mädchenfortbildungsschule und die Handelsschule in unserem Schulgebäude untergebracht.
Die Zeit des Nationalsozialismus hinterlässt ihre Spuren
Am Ende der 12 Jahre Herrschaft der Nationalsozialisten standen nicht nur die Verwüstungen in der Schule, das Leid der Ausgebombten, Umsiedler und Flüchtlinge, das Elend der Witwen und Waisen. Es stand auch die Verwüstung in den Köpfen und Herzen der Bürger Nossens und ihrer Kinder.
Die Nazis hatten alles Fortschrittliche an der Schule zerschlagen und den Direktor und einige Lehrer entlassen. Im Unterricht verlangten sie von den restlichen Lehrern die Verbreitung ihrer Ideen und Ideale. Das Fach Menschenkunde trug zur Verbreitung der Theorie von der Überlegenheit der germanischen Rasse und der Minderwertigkeit der Juden und der slawischen Völker bei, das Fach Volk- uns Vaterlandskunde hatte die Aufgabe, Verständnis zu verbreiten “für den Willen des nationalistischen Staates, dem deutschen Volk seinen ganzen Lebensraum zu gewinnen”, und in der “Arbeitskunde” wurden Feuerwaffen, Flugzeuge, Kampfstoffe und Luftschutzmaßnahmen im "totalen Krieg" behandelt.
Die Schule erhält ihren Namen
Nach den materiellen und geistigen Zerstörungen des 2. Weltkrieges kam der Gedanke auf, der Schule den Namen eines Mannes zu geben, der für Lehre , Eltern und Kinder ein Vorbild sein konnte.
Seit dem 12. Januar 1946 trägt die Schule auf Anregung des Schulleiters Walter Schmidt den Namen “Pestalozzischule Nossen”. In dieser Zeit des Suchens nach neuen Idealen, nach neuen Werten konnten Pestalozzis Anschauung und sein Lebenswerk hilfreich sein. Er hatte seine Zuneigung den Armen geschenkt, seine Liebe dem einfachen Volk und den Kindern.
Die Lehrer haben sich in der Gestaltung des Unterrichts und der Freizeit der Kinder, beim Schaffen günstiger Voraussetzungen zum Lernen und beim Organisieren vieler unvergesslicher Erlebnisse in Freizeit und Ferien an ihr großes Vorbild gehalten.
Die Pestalozzi Schule wird Grundschule, Oberschule und Polytechnische Oberschule
Nach dem Zusammenbruch des Hitlerreiches begann der Aufbau eines demokratischen Schulsystems. Nach dem sächsischen Schulgesetz vom Mai 1946 wurde eine Grundschule aufgebaut, die frei war von Militarismus und Rassenhass und die allen Kindern und Jugendlichen das gleiche Recht auf Bildung gewährte.
Im Jahre 1954 wurde der polytechnische Unterricht eingeführt. Er vermittelte praktische Fertigkeiten und theoretische Kenntnisse, die und einer modernen Industriegesellschaft zur Allgemeinbildung gehören. Viele Schüler haben diesen Unterricht in positiver Erinnerung, hat er ihnen doch Einblicke in das Berufsleben und in die Notwendigkeit exakter Arbeit gegeben.
Auch der international üblich gewordene Übergang zur 10klassigen Allgemeinbildung vollzog sich an unserer Schule. Schüler und Lehrer engagierten sich beim Umbau der 70jährigen Klassenzimmer zu Fachkabinetten mit schnellen Zugriffzeiten zu Lehr- und Unterrichtsmitteln.
Neben ihrem Bildungsauftrag hatte unsere Schule auch den Erziehungsauftrag des Staates DDR zu erfüllen. Sie vermittelte die Idee des Marxismus, den Gedanken der führenden Rolle der Partei, versuchte, “ein sozialistisches Wehrmotiv” zu entwickeln und hatte die Schüler davon zu überzeugen, dass alle humanistischen Ideale wie Friedensliebe, Völkerfreundschaft und Solidarität nur unter sozialistischen Bedingungen zu verwirklichen seien. Sie ist in diesem Bemühen an der geschichtlichen Entwicklung gescheitert, wie der ganze Staat, in den sie 40 Jahre eingebunden war.
Die Pestalozzi Schule wird Grundschule
Eine neue Gliederung des Schulsystems wurde 1992 vollzogen. Die Pestalozzischule wurde die Grundschule der Stadt. Alle Schüler der 1. bis 4. Klasse werden hier unterrichtet.
Neue Lehrpläne und neue Unterrichtsformen hielten Einzug und gehen auf die Individualität jedes Einzelnen ein, neue Formen der Bewertung und Zensierung fördern das Lernen.
Seit der Eingemeindung von Deutschenbora und Heynitz kommen auch die Kinder dieser Gemeinden zu uns.
Mit dem neuen Staat war es nun auch möglich, die Schule zu sanieren. Für viele Tausend DM wurden neue Fenster und neue Möbel gekauft. Eine grundlegende Sanierung machte sich jedoch an der inzwischen 110 jährigen Schule notwendig. Mit vielen Fördermitteln und Geldern der Stadt, wurde innen und außen alles neu gemacht, Mauern trocken gelegt, Elektrik, Heizung, Sanitär, Wände, Geländer, Zwischentüren, Alarmanlage und Brandmeldeanlage wurden eingebracht und das Dach gedeckt. Die Außenfassade erstrahlt im neuen Glanz. Etwa 2 Millionen Euro kostete die Renovierung bis zum Jahre 2007.
Seit 2006 ist der Hort endgültig im Nebengebäude untergebracht und hat nun auch ein vollkommen umgestaltetes Haus mit Sicherheitstechniken.
Nicht nur die Außenhülle ist schöner und attraktiver geworden, sondern wir konnten auch viele Unterrichtsmittel kaufen und Unterrichtsräume nach modernem Standard einrichten. An die offenen Unterrichtsformen am Vormittag schließen sich die Ganztagsangebote zur Förderung sowohl leistungsstarker als auch leistungsschwacher Schüler an. Dabei stehen Freude und Entspannung an erster Stelle.
Die Neugestaltung des Schul- und Pausenhofes wurde 2012 realisiert.
Im Jahr 2022 erhielten wir ein komplett neues Computerkabinett mit 30 Arbeitsplätzen und mobile Endgeräte für jede Etage.